Die Bilder sind weltweit viral gegangen: die beiden besten Tennisspieler der Welt, Roger Federer und Rafael Nadal, weinen zusammen beim Abschied von Roger Federer.
Eurosport titelt: „Superstars werden von Ihren Emotionen übermannt.“
Mein erster Gedanke, als ich diese berührenden Bilder sehe ist, dass es Zeit wird, über zwischenmenschliche Beziehungen, im privaten wie beruflichen, zu schreiben. Wir alle sind daran interessiert, dass wir unsere zwischenmenschlichen Beziehungen verbessern. Danke an Roger und Rafael für diese emotionale Steilvorlage und für den sehr ehrlichen und sehr menschlichen Ausdruck von Gefühlen und die gezeigte zwischenmenschliche Verbundenheit.
Wir sind alle, jeden Tag, in Interaktion mit anderen Menschen. Beziehungen entstehen auf der Basis von Interaktionen. Ohne Interaktion gibt es keine Beziehung! Interaktionen können von sehr unterschiedlicher Qualität sein:
Grafik: Interaktions-Kontinuum
Positive Interaktionen mit anderen Menschen (z.B. ein Türaufhalten, Lächeln, Zuhören, etc.) haben eine kraftvolle und energetisierende Auswirkungen auf uns Menschen. Diese hohe Interaktions-Qualität ist wissenschaftlich unter dem Begriff der „High Quality Connections (HQC)“ erforscht worden. In Ihrem Buch „Energize your Workplace“ beschreibt Jane Dutton 2003, was HQC’s auszeichnet, wie wichtig diese qualitativ hochwertigen Verbindungen am Arbeitsplatz sind und welche Faktoren einen fördernden Einfluss haben. Hochqualitative Beziehungen/ Verbindungen (HQC’s) sind Momente, die Stärke und Ressourcen beim Interaktions-Partner aufbauen.
HQC’s zeichnen sich durch 3 Merkmale aus:
Immer dann, wenn wir aus einer Interaktion mit einem höheren Energielevel herausgehen, wenn wir merken, dass wir vitaler und lebendiger sind, erleben wir eine HQC.
Wir alle spüren in Interaktionen sehr schnell, ob ein gesunder Austausch zwischen Geben (z.B. zuhören, präsent sein) und dem Nehmen (Ratschläge, Aufmerksamkeit) stattfindet. Dem anderen auf Augenhöhe zu begegnen ist hierfür die Voraussetzung.
Vertrauen entsteht in den HQC-Momenten. Wir zeigen uns dann evtl. emotionaler und verletzlicher als sonst. Diese Verbundenheit gibt uns den Raum, so sein zu dürfen, wie wir sind.
Der Dipl. Psychologe Michael Tomoff beschreibt darüber hinaus, dass mit HQC's:
„... die zwischenmenschlichen Verbindungen gemeint sind, die sich durch gegenseitige positive Wertschätzung, Vertrauen und aktives Engagement auf beiden Seiten auszeichnen.“ (S. 19)
Die aufgeführten Punkte finden sich in der Beziehung/ Verbindung von Roger Federer und Rafael Nadal wieder. Selbst in einer Konkurrenz-/ Wettkampf-Situation können Menschen HQC’s eingehen und die Wirkungen spüren. Die beiden Weltklasse-Tennisspieler zeigen nicht zuletzt in ihrer geteilten Traurigkeit beim Abschied von Roger Federer, wie „High Quality Connections“ gelebt werden. Solche hochwertigen Interaktionsformen können aufgrund ihres Energielevels lebensverändernd wirken. HQC’s entstehen über das wiederholte Erleben der oben aufgeführten Merkmale in der Interaktion.
Das soziale Kapital, sprich die Qualität der Verbindung/ Beziehungen zwischen Menschen in einem Unternehmen, ist der Schlüssel zum Unternehmens-Erfolg im 21. Jahrhundert. Dr. Theresa M. Welbourne von der University of Michigan (Ross School of Business) spricht in diesem Zusammenhang sogar von „relational capital“ (Beziehungs-Kapital) anstelle von "Human Kapital". Wir leben in einer Zeitenwende, die neue Begriffe braucht. Der Begriff Human Kapital ist unpassend. Menschen sind mehr als ökonomisch interessante Größen.
Eine Studie der Relational Capital Group hat ergeben, dass 89% der erfahrenen Führungskräfte glauben, dass Beziehungen Jahr für Jahr der wichtigste Faktor für ihren Erfolg sind. Die Studie ergab jedoch auch, dass nur 24% dieser Führungskräfte tatsächlich absichtlich etwas unternehmen, um den Aufbau dieser Beziehungen zu fördern. Die Studie zeigt weiter, dass weniger als 5% der Organisationen tatsächlich spezifische Strategien haben, um Ihren Fachleuten zu helfen, die zur Erreichung Ihrer Ziele erforderlichen Beziehungen zu entwickeln und zu festigen.
In der nachfolgenden Grafik von der Relational Capital Group wird dargestellt, das zukünftig neben dem Besetzen einer geschäftlichen Nische vor allem menschliche Faktoren die entscheidende Rolle für Unternehmen spielen (werden): Mitarbeiter (human), Beziehungen (relational) und Führung (Leadership). Menschen und Beziehungen sind elementar, v.a. in der Dienstleistung.
s. Grafik aus Studie: „The intrinsic link between human and realtional capital.“ S. Relational Capital group im Bereich Whitepapers
Eine Langzeitstudie, die diesen Namen wirklich verdient, ist die Studie zur "Entwicklung Erwachsener" der Harvard University. Über insgesamt 75 Jahre wurden rund 700 Männer von 1938 an (im Alter von 16 Jahren), alle 2 Jahre, mit einem Fragebogen über ihre Zufriedenheit im Job, ihrer Ehe und andere Punkte befragt. Außerdem wurden Teilnehmer alle 5 Jahre gesundheitlich untersucht. Heute leben noch ca. 60 der Studien-Teilnehmer.
Was ist die wichtigste Erkenntnis aus dieser Studie?
„Die wichtigste Botschaft, die wir aus der 75 Jahre andauernden Studie erhalten, ist: Gute Beziehungen machen uns glücklicher und gesünder.“ Harvard-Professor und Psychiater Robert Waldinger
In seinem TED-Vortrag stellt Prof. Waldinger die 3 Faktoren dar, die nach dieser Studie uns Menschen wirklich glücklich machen.
Die 3 Faktoren sind:
Diese spannende Langzeitstudie belegt die Wichtigkeit von hochqualitativen Beziehungen in unserem Leben.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten und Wege die zwischenmenschlichen Beziehungen zu verbessern:
Mod. Grafik von Nico Rose nach Jane Dutton;
Weitere Tips:
Darüber hinaus ist es hilfreich, sich auf das Gute beim Gegenüber zu fokussieren. Indem wir uns klar darüber sind, dass jeder Mensch seine eigene „Schlacht“ im Leben führt (jeder hat sein eigenes "Lebens-Thema"), können wir Menschen weniger bewertend begegnen.
Präsent zu sein und wirklich unserem Gegenüber zuzuhören (aktives Zuhören) stärkt ebenfalls unsere zwischenmenschliche Beziehungen. Ich fühle mich dann direkt viel mehr angenommen von meinem Gesprächspartner.
Gemeinsamkeiten zu erkennen und diese anzusprechen, schafft die schnellste Verbindung zwischen Menschen. Wir fühlen dann eine vertraute Atmosphäre.
Je besser wir im Kontakt mit uns selbst sind (Selbstreflexion) und wenn wir wirklich wissen, wer wir selbst sind, desto besser können wir zwischenmenschlichen Kontakt zu anderen Menschen herstellen. Wir sind dann authentischer und können auch unsere verletzliche Seite zeigen. Verletzlichkeit hat eine enorme Auswirkung auf unsere Verbindung zu anderen Menschen (s. Brene Brown).
Die Qualität unserer Beziehungen zu anderen Menschen hat einen enormen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit. Langzeitstudien zeigen, dass wir Menschen glücklicher sind, wenn wir enge Beziehungen haben. „Beziehungs-Kapital“ ist ein neuer Begriff, der sich im beruflichen Umfeld etabliert. Zukünftig entscheidet immer mehr die Verbindungs/ Beziehungs-Qualität zu Menschen über den Unternehmens-Erfolg.
Qualitativ hochwertige Verbindungen (HQC) zu anderen Menschen zeichnen sich durch 3 Merkmale aus:
Zwischenmenschliche Beziehungen werden gezielt verbessert über Interventionen auf 4 Ebenen: Respektieren – Unterstützen – Spielen – Vertrauen.
Weitere Informationen unter www.nicorolli.de.
Tomoff, M. (2015), Positive Psychologie im Unternehmen. Springer
Relational Capital Group - www.relationalcapitalgroup.com
Adecco. 2007. http://www.relationalcapitalgroup.com/wp-content/uploads/2010/03/adecco_wbf_exec_summary_bro_final_1.pdf (abgerufen 1.07.02021)
Rose, N. (2019), Arbeit besser machen. Haufe Verlag
Nico Rolli
Bachemerstr. 233 50935 Köln